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Wie das Internet unser Sozialverhalten verändert

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Beitrag von Admin So Feb 14, 2010 8:58 pm

Der Psychiater Raphael Bonelli über Gewaltpornos in Mausklickreichweite und die Therapierbarkeit von Internetsex-Süchtigen - Von Stephan Baier /Die Tagespost
Wie das Internet unser Sozialverhalten verändert Blank

Wien http://www.kath.net/ DieTagespost]www.kath.net/ DieTagespost
Mit seinem Institut für „Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie“ (RPP) veranstaltet der Psychiater und Neurologe Raphael Bonelli seit Jahren hochkarätige Kongresse, die für Aufsehen und lebhafte Debatten sorgen. Nun organisiert RPP gemeinsam mit der Wiener „Sigmund Freud Privatuniversität“ und der „Gesellschaft der Ärzte in Wien“ eine Fachtagung zum Phänomen „Internet-Sexsucht“. Stephan Baier sprach mit Raphael Bonelli über psychologische Dimensionen dieses wachsenden Phänomens.

Reiht sich Internet-Sexsucht in den seit Jahrzehnten zu beobachtenden Trend zur wachsenden Sexualisierung in Print- und TV-Medien ein? Oder handelt es sich nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ um ein neues Phänomen?

Sexsucht beziehungsweise Pornographiesucht ist an und für sich nicht neu, aber das Internet hat dieser Störung eine neue Dimension eröffnet. Sie wird meist in die Gruppe der „stoffungebundenen“ Süchte eingeordnet, wobei andere Experten eher eine Störung der Impulskontrolle zugrundelegen. Faktum ist, dass ein Kontrollverlust vorliegt, ein innerer Zwang, unter dem der Betroffene – meist männlich – tatsächlich leidet. Auf die kurzfristige Befriedigung folgt meist eine Leere. Diese Störung schränkt die Partnerbeziehung stark ein oder verunmöglicht sie sogar.

Manche Experten sprechen von einer „neuen sexuellen Revolution“ durch das Internet. Mit Recht?

Ja, mit Recht. Das Internet bietet eine niedrige Zugangsschwelle: alles ist leicht zugänglich, kostengünstig, anonym. Dazu kommt die Mannigfaltigkeit des pornographischen Materials: Fotos, Filme, Texte, Messagesysteme, Chats zu zweit oder mit mehreren Personen, audiovisuelle Kommunikation. Ein grenzenloser Markt mit ständig neuem Material. Hier verschwimmen der Grenzen zwischen Konsument, Produzent und Anbieter. Perversere, gewalttätigere Pornographie breitet sich aus. Interaktive Kommunikation ermöglicht die gegenseitige Beeinflussung von Fantasien und realem Verhalten. Virtuelle Identitäten ermöglichen die leichte, schier unbegrenzte Vernetzung und eine anonyme Kontaktanbahnung zwischen Täter und Opfer bei der Pädophilie. Aber auch das niedrigere Risiko der Entdeckung illegaler Aktivitäten unterscheidet die Internetpornographie von der „herkömmlichen“.

Wie unterscheidet sich aus psychiatrischer Sicht das Suchtverhalten des Internet-Sexsüchtigen von dem der anderen Sexsüchtigen?

Man unterscheidet manchmal Sexsucht von Pornographiesucht. Erstere wird mit realen Sexpartnern ausgelebt, etwa in Bordellen, zweitere beschäftigt sich mit Bildern und Texten. Die Cybersexsucht oder Internetsexsucht kann sowohl einen virtuellen Kontakt mit einer zweiten Person beinhalten, z.B. beim Chatten, als auch auf Bilder und Texte begrenzt sein. Ein wichtiger Unterscheidungspunkt ist vielleicht die Dosissteigerung: Es werden zunehmend perversere Erlebnisse aufgesucht, weil die augenblicklichen Aktivitäten zur Befriedigung nicht ausreichen. Und hier hat das Internet keine Grenzen: Da findet man alles.


Hat der einfache Zugang zu Pornobildern und Filmen im Internet auch Menschen in ein Suchtverhalten geführt, die sonst nicht suchtgefährdet wären?

Sicherlich ja, denn Gelegenheit macht Diebe. Es ist ja eine Errungenschaft der Kultur, mit der eigenen Sexualität menschengemäß umzugehen, um sie als Kommunikationsmittel einer ehelichen Beziehung zu gebrauchen. Andernfalls – wenn der Mensch nicht gelernt hat, seine eigene Befriedigung hintanzustellen – beginnt der Missbrauch anderer Menschen. Das ist ein Reifungsprozess, den der Mensch in seiner Jugend lernt. Wenn er da durch zuviel Bilderangebot verwirrt wird, kann er vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Wir beobachten in der Praxis bei sexsüchigen Männern oft eine egoistische Abschätzigkeit gegenüber Frauen, die in erster Linie als Körper wahrgenommen werden. Die Beziehungsdimension wird ausgeklammert.

Stimmt es, dass die Sex-Angebote im Internet immer mehr, immer extremer, immer perverser und brutaler werden? Und, falls ja, warum?

Es stimmt, dass der Konsument immer Extremeres konsumiert: weil ihm keine Grenzen gesetzt werden, wie sie die menschliche Partnerin bald setzen würde. Ob die Angebote perverser werden kann ich nicht abschätzen. Aber es gibt einen fließenden Übergang von Softcore-Pornographie, Hardcore-Porno, zu Gewaltpornos bis zu echter Vergewaltigungspornographie. Das heißt: Nackte Körper sind mehr die Einstiegsdroge, Gewalt ist oft aber eine Folge.

Verändert das Internet das Sexualverhalten der ganzen Gesellschaft? Anders gefragt: Passt sich der reale Sex dem virtuellen Sex an? Oder unterscheiden die Internetsex-Konsumenten weiter zwischen Internet und Realität?

Ich denke, hier ändert sich schon etwas, was wir noch gar nicht abschätzen können. Die Jugend wächst mit den schlimmsten Gewaltpornofilmen in Mausklick-Reichweite auf. Mit Recht hat man sie schon „Generation Porn“ genannt. Und die Kinder und Jugendlichen wollen auch ausprobieren, was sie da so zu sehen bekommen. Andererseits normalisiert natürlich eine reife menschliche Beziehung vieles wieder.

Nehmen sexuelle Gewalt und ausgelebte Perversionen durch virtuellen Gewaltsex und Internet-Perversionen zu?

Wir müssen neuere Studien zur Kenntnis nehmen, die zeigen, dass Personen mit häufigem Pornographiekonsum siebenmal so häufig sexuelle Aggressionen zeigen wie diejenigen, die nie Pornographie konsumierten. Ein kausaler Zusammenhang ist in beide Richtungen denkbar: Personen mit einer besonderen Bereitschaft für sexuelle Aggression konsumieren häufiger Pornographie – oder Pornographiekonsum fördert die sexuelle Aggressivität.

Ist Internet-Sex ein rein männliches Phänomen? Lässt es sich soziologisch genauer eingrenzen?

Es ist hauptsächlich ein männliches Phänomen, obwohl auch immer mehr Frauen davon betroffen sind. Aber häufig habe ich in meiner Praxis Frauen, die in die Krise fallen, weil sie ihre Männer bei diesem Konsum ertappt haben. Die meisten Frauen erleben das als eine massive Kränkung. Eine neuere Untersuchung hat ergeben, das 50 Prozent eine solche Entdeckung emotional mit einem realen Seitensprung gleichsetzen.

Was eint und was unterscheidet Internet-Sexsucht und Internet-Spielsucht?

Das Internet kann in drei Bereichen süchtig machen: Pornographie beziehungsweise Cybersex, Rollenspiele und Ego-Shooter, Chatrooms. Meines Wissens gibt es noch keine vergleichenden Studien zwischen diesen verschiedenen Arten. Aber die Erstgenannte ist sicherlich mehr schambesetzt und tabuisiert, und wird deshalb geheim gehalten. Für viele Patienten ist der Gang zum Psychiater eine große Erleichterung, denn endlich können sie sich mitteilen.

Was können Eltern im Zeitalter des world-wide-web tun, um ihre Heranwachsenden vor Internet-Sexsucht, Internet-Spielsucht und Chatrooms zu schützen?

Kein Internetzugang in das absperrbare Kinderzimmer! Der Computer mit Internetzugang sollte an einem familienöffentlichen Ort sein, etwa im Wohnzimmer. Das tut auch dem Papa gut.

Wie können Psychiater Internet-Süchtigen helfen?

Wenn der Betroffene in die Therapie kommt, hat er schon viel geschafft. Das Sich-öffnen-Können ist eine große Erleichterung. Meist geht dem ein jahrelanges Ringen voran, oft kombiniert mit dem Selbstbetrug, dass man da schon selber rauskommt. Als systemischer Psychotherapeut arbeite ich dann mit der Konsolidierung der Beziehungsmuster, die meist stark beeinträchtigt sind. Ich beobachte eigentlich durchwegs ein schnelles Stabilisieren in der Therapie. Aber das anonyme Leiden vor dem erlösenden Schritt ist beträchtlich.

Sind religiöse Menschen resistenter gegen Suchtverhalten? Sind sie es auch gegen Internet-Sexsucht?

Ja, prinzipiell schon. Wir haben viele Studien der vergangenen 20 Jahre in der Hand, die ein geringeres Suchtpotential religiöser Menschen bestätigen. Das ist auch relativ leicht nachvollziehbar. Im Fall der Internet-Sexsucht stimmt das prinzipiell auch. Die Kirche ist ja in diesem Punkt ganz klar. Hier zeigt sich wieder, dass eine dem Menschen gemäße Ethik ihn schützt, und nicht quält. Aber ich sehe auch viel mehr Scham und Tabus bei denen, die religiös sind und in diese Falle getappt sind: Sie brauchen oft besonders lange, um Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Tagung
www.internetsexsucht.at findet am 24. April 2010 in Wien statt. Anmeldungen auf der Homepage.

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