„Revolution“ Amoris Laetitia – „Pastorale Neuausrichtung“ der Kirche
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„Revolution“ Amoris Laetitia – „Pastorale Neuausrichtung“ der Kirche
[size=16]„Revolution“ Amoris Laetitia – „Pastorale Neuausrichtung“ der Kirche
8. April 2016 14
Kardinal Schönborn und Kardinal Baldisseri bei der Vorstellung von Amoris Laetitia
Kardinal Schönborn und Kardinal Baldisseri bei der Vorstellung von Amoris Laetitia
von Giuseppe Nardi
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(Rom) Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Apostolischen Schreibens Amoris Laetitia, das die Ergebnisse der doppelten Bischofssynode zu Ehe und Familie von 2014 und 2015 zusammenfaßt, wurde die „pastorale Neuausrichtung“ der Kirche betont. Es fehlt nicht an enttäuschten Stimmen über eine „ausgebliebene Revolution“. Ist sie tatsächlich ausgeblieben oder schleicht sie doch, wenn auch unterschwellig durch das neue Dokument? Fest steht schon jetzt: Das Dokument erlaubt eine Vielzahl von Lesarten. Etwa von „Die Revolution, die keine wirkliche ist“ bis „Eine Revolution, aber nennt sie nicht so“. Das Dokument enthält wertvolle Aussagen über die Schönheit der Ehe und Bedeutung der Familie. Im aktuellen Streit werden sie aber nicht im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Was genau im nachsynodalen Schreiben steht, und was davon wie öffentlich kommuniziert wird, sind zwei Paar Schuhe. Für die konkreten Auswirkungen dürfte, wie die Erfahrung lehrt, der kommunizierte Inhalt wichtiger sein. Wer liest schon ein fast 200 Seiten langes Vatikan-Dokument?
Schönborn: „Franziskus will eine Kirche, in der alle Platz haben“
Der Tenor, der von Kardinal Christoph Schönborn (Erzbischof von Wien) angeführten Pressekonferenz drückt sich in folgenden Sätzen aus: „Franziskus will eine Kirche, in der alle Menschen Platz haben und in der dem Gewissen große Bedeutung zukommt.“ Der Ton macht bekanntlich die Musik, womit die Stoßrichtung für Kardinal Schönborn geklärt wäre. In dem einen Satz ist, ohne nähere Erläuterungen, bereits mehr als genug Sprengstoff enthalten.
Seine Beauftragung, das Schreiben in Rom vorzustellen, gilt nicht nur als Anerkennung durch Papst Franziskus. Es ist auch der Versuch, die am meisten aufmüpfige Kirche des deutschen Sprachraums zufriedenzustellen. Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, drohte Rom im Vorfeld unumwunden, daß man bei Nichterfüllung der Erwartungen im Alleingang handeln werde. Gemeint ist die faktische Anerkennung von Scheidung und Zweitehe durch Gewährung der Kommunion an wiederverheiratete Geschiedene und die Anerkennung der Homosexualität. Daß dem de facto schon so ist, und wie gut sich die katholische Kirche in Deutschland in den politischen Konsens zur Homosexualität einfügt, zeigte am vergangenen 2. April die „ökumenische Trauerfeier“ für den verstorbenen ehemaligen Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Die Trauerfeier für den bekennenden Homosexuellen und Protestanten Westerwelle fand in einer katholischen Basilika in Köln statt.
Zentrale Botschaft: Kommunion für wiederverheiratete Geschiedenen „in gewissen Fällen“
Die zentrale Botschaft der heutigen Pressekonferenz zur Vorstellung von Amoris Laetitia, die Kardinal Schönborn verkündete, lautete daher, daß der Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene „in gewissen Fällen“ möglich sei.
Das genügt, um das latent über der Frage schwebende Schisma der deutschen Kirche abzuwenden, und die Kirche auf „neue pastorale Wege“ zu lenken.
Die deutsche Schisma-Drohung hatte bereits die Endphase des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. überschattet. Es wird einmal Aufgabe von Historikern sein, den Zusammenhang zwischen diesem Druck und dem unerwarteten Amtsverzicht des deutschen Papstes in seiner Bedeutung zu beleuchten. 2017 feiert der protestantische Teil des deutschen Raumes 500 Jahre Reformation. Um Haaresbreite hätte das Reformationsgedenken, „passenderweise“, mit einer zweiten Kirchenspaltung zusammenfallen können. Vielleicht wäre es für die Kirche das Beste gewesen. Wer aber möchte diese Verantwortung auf sich laden? Benedikt XVI. wollte es jedenfalls nicht.
Die deutsche Drohung mit dem Schisma
Die von Kardinal Schönborn geleitete Pressekonferenz im Vatikan
Die von Kardinal Schönborn geleitete Pressekonferenz im Vatikan
Der Druck im Dampfkessel wird mit dem heutigen Tag abgelassen. Sind damit aber die Probleme gelöst? Wie es aussieht, weder praktisch und schon gar nicht theologisch. Seit einem halben Jahrhundert steht die Weltkirche unter einem unheilvollen protestantisierenden deutschen Einfluß. Es entspricht daher einer inneren Logik, daß es auch Deutsche sind, die sich diesem Einfluß entgegenstellen. Die Wahl von Papst Benedikt XVI. sollte, dieser Logik folgend, die Gegenbewegung vollenden. Eine Aufgabe, die er trotz Kraftanstrengung in letzter Konsequenz nicht bewältigte. Der „praktische“ Erfolg durch die Schisma-Drohung zementiert den von der „Rheinischen Allianz“ 1963 begonnenen Einfluß auf die Gesamtausrichtung der Weltkirche. Ist Rom erpreßbar geworden? So drastisch läßt sich das nicht formulieren. Die Dinge sind um einiges komplexer und verwobener. Die Gefahr einer Konditionierung besteht jedenfalls.
Theologisch wurden in den vergangenen zwei Jahren, seit Papst Franziskus die Weichen neu stellte und dem „deutschen Zug“ freie Fahrt gab, von den Verteidigern der kirchliche Ehe- und Morallehre beachtliche Anstrengungen unternommen, um das überlieferte Verständnis des Ehesakraments und der damit verbundenen Unauflöslichkeit der Ehe zu vertiefen. Das wird noch reiche Frucht tragen.
So sehr Papst Franziskus seit seiner Wahl der neuen progressiven „Allianz“ an Rhein und Donau Raum gab und ihr Tür und Tor öffnete, kann kein Gleichschritt mit dem deutschen Episkopat behauptet werden. Die päpstlichen Sympathien für Kardinal Walter Kasper sind bekannt und echt. Sie verschafften dem ehemaligen Bischof von Rottenburg-Stuttgart ein ebenso spätes wie unerwartetes „Comeback“. Immerhin dürfte die Wahl von Kardinal Jorge Mario Bergoglio das „Meisterstück“ des deutschen Kardinals gewesen sein. Weniger Sympathien hegt Franziskus für den mächtigen Mann der deutschen Kirche, für den Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx. Das liegt schon am unterschiedlichen Charakter. Das erklärt die Annäherung zwischen dem Papst und Wiens Erzbischof Kardinal Schönborn.
Das Schönborn-Interview: „Liebe wichtiger als Normen“
Der aus uradeligem Geschlecht stammende Dominikaner Schönborn ist ebenso ein Vertreter des deutschen Sprachraums, aber in seiner gekonnten, diplomatischen Art dem Papst deutlich näher. Um die Feinheiten der „Botschaft“ zu verstehen, ist ein Interview zu beachten, das Schönborn bereits vor der römischen Pressekonferenz seiner eigenen Presseagentur Kathpress gab. Interview und Pressekonferenz sind als Einheit zu lesen.
Im Interview fiel die programmatische Aussage:
„Das erste sind nicht die Normen, die zwar wichtig sind, an erster Stelle steht aber die Ausrichtung auf die Liebe.“
Das sei die „besondere Logik“, die hinter dem gesamten päpstlichen Schreiben stehe.
Was Wien „längst praktiziert“, wurde vom Papst „voll übernommen“
Schönborn lieferte im Interview auch gleich seine Deutung des Schreibens mit. Er sieht in Amoris Laetitia die nachträgliche Bestätigung einer „in Wien seit gut 15 Jahren gelebten pastoralen Praxis“. Was Wien längst praktiziere, sei vom Papst „voll übernommen“ worden. Das zum Thema Gehorsam und deutsche Alleingänge.
Dem Schreiben, so Schönborn, sollte eigentlich der Satz „Liebe und tu was du willst“ vorangestellt werden. Wiens Erzbischof bemühte sich erst gar nicht, diesen heutzutage leicht mißverständlichen Satz des heiligen Augustinus zu erklären. Ein gewisses Mißverstehen scheint intendiert. Schönborn wiederholte mit anderen Worten die knappe These „Love is Love“, die er bereits nach der Bischofssynode von 2014 ausgesprochen hatte.
Schönborns Demontage: Gibt es eine objektiv irreguläre Situation?
Vor allem warnte der Kardinal vor vorschnellen Urteilen über sogenannte „reguläre“ oder „irreguläre“ Lebenssituationen. Im päpstlichen Dokument sei das Wort „irregulär“ fast durchwegs unter Anführungszeichen geschrieben, was „besonders wichtig“ sei. Schönborn wörtlich:
„Ob sich jemand in einer regulären oder irregulären Situation befindet, ist zuerst einmal nur ein äußerer Blick auf die Situation.“
Es handelt sich demnach, für den Wiener Erzbischof, nicht um einen objektiven Zustand: „Der innere Blick auf die Lebenssituation von Ehen und Familien besteht darin, dass wir alle mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und alle der Barmherzigkeit Gottes bedürfen.“
Schönborn: „Befreiende und wohltuende Botschaft“
„Kein Ehepaar und keine Familie“ dürften daher sagen: „Wir sind die ordentlichen und Ihr seid die unordentlichen.“ Das sei für ihn eine „befreiende und wohltuende“ Botschaft, „weil es in Wirklichkeit auch so ist“, so Schönborn. „Befreiend“ für wen und wovon?
190 Seiten umfaßt das nachsynodale Schreiben. Man solle es „nicht hastig“ lesen, empfahl heute der Papst. Dennoch wird der Anteil unter den 1,3 Milliarden Katholiken, die es vollständig lesen, überschaubar bleiben.
Mit heute ist das Rennen eröffnet, sich auf die Suche nach Aussagen im Dokument zu machen, die der eigenen Positionen entgegenkommen oder vereinnahmt werden können. Seit Jahrzehnten ist, gewissermaßen auch analog zu den Fraktionen der protestantischen Synoden-Parlamente, auch in der katholischen Kirche die Rede von „Konservativen“, „Progressiven“, „Traditionalisten“, „Modernisten“ oder „Moderaten“. Eine verzerrte Perspektive, denn darum geht es in der Katholischen Kirche nicht. Jedenfalls sollte es nicht darum gehen. Es geht nicht darum, daß eine Fraktion über eine andere siegt, sondern um die von Gott geoffenbarte Wahrheit. Und der sind alle Fraktionen verpflichtete, wenn sie wirklich in Anspruch nehmen, katholisch zu sein. Auch hier gilt, daß es zumindest so sein sollte.
Methodik der unpräzisen Formulierung
Ist das Ergebnis der Synode damit so ausgefallen, wie man es sich erwartet hatte? Letztlich schon. Es ist, wie mehrere hohe Kirchenvertreter, auch Kurienerzbischof Georg Gänswein, versicherte, nicht zu einem aufsehenerregenden Bruch gekommen. Und doch kann man den Bruch bei näherem Betrachten der Details durchaus herauslesen. Genau darin liegt die Bestätigung der Erwartungen. Die Veränderungen, die „Revolution“, die „revolutionäre Wende“ (Worte von Kardinal Kasper) geschieht, wenn sie geschieht, subtil im Wortwust ungenauer Formulierungen. Auch diesbezüglich also Nichts Neues unter der Sonne. Die schon auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil angewandte Methode, die Klarheit in unklaren Formulierungen aufzulösen, wird fortgesetzt. Der Jesuit Karl Rahner, und damit Ordensmitbruder des amtierenden Papstes, fand diese Sprachmethodik geradezu genial, denn sie erlaube letztlich immer das herauszulesen bzw. hineinzuinterpretieren, was man will.
Es ist die Methode jener Revolutionäre, denen die Mehrheiten oder die Armeen fehlen, um ihren Willen direkt und schnell durchzusetzen. Es ist mehr noch die Methodik der Pseudo-Revolutionäre, die zwar radikale Ideen haben, denen aber der letzte Antrieb fehlt, sich offen zur Revolution zu bekennen. Die Volkstheologie, deren Vertreter Jorge Mario Bergoglio in Argentinien war, und seine Ablehnung des bewaffneten Kampfes seiner Ordensmitbrüder für die marxistische Befreiungstheologie bietet einige Ansätze zum Verständnis dieses Pontifikats.
Schlichtweg irritierend, das sei nur am Rande erwähnt, ist das weitgehend unkritische „Ja zur Sexualerziehung“, das Papst Franziskus ausspricht. Angesichts der Erfahrungen mit der Schulsexualerziehung und staatlichen „Aufklärungskampagnen“, angesichts der Gender-Ideologie, die massiv der schulischen Sexualerziehung ihren Stempel aufdrücken will, angesichts der entsprechenden „Bildungspläne“ von Baden-Württemberg, Wien oder Bayern, um nur einige zu nennen, fragt man sich verblüfft, welche „Realität“ der Papst und seine Ghostwriter denn bei diesem Thema vor Augen haben.
Wohin die „pastorale Neuausrichtung“ führt, steht in den Sternen
Wohin die „pastorale Neuausrichtung“ allerdings die Kirche Westeuropas führen werden, steht indes völlig in den Sternen. Fest steht nur: Das deutsche Kirchensteuersystem mit seinen Schattenseiten, zu denen ein unverhältnismäßig schlechter Einfluß auf die Gesamtkirche zählt, bleibt bestehen. Das jedenfalls dürfte für manchen Prälaten eine Erleichterung sein, die – im Zweifelsfall – noch wichtiger ist, als der Kampf um die „liberalen“ Öffnungen.
Bleibt am Ende die Frage: Hat es sich gelohnt, daß Papst Franziskus 2013 Ehe und Familie zum Thema einer Bischofssynode machte, um das nachsynodale Schreiben Familiaris Consortio von 1981 zu ersetzen? Läßt man die Chronologie der vergangenen drei Jahre im Zeitraffer passieren, bleibt der Eindruck zwiespältig. Einerseits wurde ein Streit vom Zaun gebrochen und in die Weltkirche hineingetragen, indem Papst Franziskus ohne Not der unduldsamen deutschen Kirche unangemessenen Spielraum gewährte. Wieviel Scherben deshalb noch aufzulesen sein werden, läßt sich derzeit noch gar nicht absehen. Gleichzeitig ist die Doppelsynode, wenn sie als Revolution gedacht war – und mehr als einiges spricht dafür –, zum Rohrkrepierer geworden. Die Kirche spricht weniger denn je mit einheitlicher Stimme. Das Pontifikat von Franziskus fördert die Dissonanz. Die wirkliche innere Erneuerung der Kirche erfährt keine wirklichen Impulse. Sie muß weiterhin warten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL[/size]
8. April 2016 14
Kardinal Schönborn und Kardinal Baldisseri bei der Vorstellung von Amoris Laetitia
Kardinal Schönborn und Kardinal Baldisseri bei der Vorstellung von Amoris Laetitia
von Giuseppe Nardi
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(Rom) Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Apostolischen Schreibens Amoris Laetitia, das die Ergebnisse der doppelten Bischofssynode zu Ehe und Familie von 2014 und 2015 zusammenfaßt, wurde die „pastorale Neuausrichtung“ der Kirche betont. Es fehlt nicht an enttäuschten Stimmen über eine „ausgebliebene Revolution“. Ist sie tatsächlich ausgeblieben oder schleicht sie doch, wenn auch unterschwellig durch das neue Dokument? Fest steht schon jetzt: Das Dokument erlaubt eine Vielzahl von Lesarten. Etwa von „Die Revolution, die keine wirkliche ist“ bis „Eine Revolution, aber nennt sie nicht so“. Das Dokument enthält wertvolle Aussagen über die Schönheit der Ehe und Bedeutung der Familie. Im aktuellen Streit werden sie aber nicht im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Was genau im nachsynodalen Schreiben steht, und was davon wie öffentlich kommuniziert wird, sind zwei Paar Schuhe. Für die konkreten Auswirkungen dürfte, wie die Erfahrung lehrt, der kommunizierte Inhalt wichtiger sein. Wer liest schon ein fast 200 Seiten langes Vatikan-Dokument?
Schönborn: „Franziskus will eine Kirche, in der alle Platz haben“
Der Tenor, der von Kardinal Christoph Schönborn (Erzbischof von Wien) angeführten Pressekonferenz drückt sich in folgenden Sätzen aus: „Franziskus will eine Kirche, in der alle Menschen Platz haben und in der dem Gewissen große Bedeutung zukommt.“ Der Ton macht bekanntlich die Musik, womit die Stoßrichtung für Kardinal Schönborn geklärt wäre. In dem einen Satz ist, ohne nähere Erläuterungen, bereits mehr als genug Sprengstoff enthalten.
Seine Beauftragung, das Schreiben in Rom vorzustellen, gilt nicht nur als Anerkennung durch Papst Franziskus. Es ist auch der Versuch, die am meisten aufmüpfige Kirche des deutschen Sprachraums zufriedenzustellen. Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, drohte Rom im Vorfeld unumwunden, daß man bei Nichterfüllung der Erwartungen im Alleingang handeln werde. Gemeint ist die faktische Anerkennung von Scheidung und Zweitehe durch Gewährung der Kommunion an wiederverheiratete Geschiedene und die Anerkennung der Homosexualität. Daß dem de facto schon so ist, und wie gut sich die katholische Kirche in Deutschland in den politischen Konsens zur Homosexualität einfügt, zeigte am vergangenen 2. April die „ökumenische Trauerfeier“ für den verstorbenen ehemaligen Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Die Trauerfeier für den bekennenden Homosexuellen und Protestanten Westerwelle fand in einer katholischen Basilika in Köln statt.
Zentrale Botschaft: Kommunion für wiederverheiratete Geschiedenen „in gewissen Fällen“
Die zentrale Botschaft der heutigen Pressekonferenz zur Vorstellung von Amoris Laetitia, die Kardinal Schönborn verkündete, lautete daher, daß der Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene „in gewissen Fällen“ möglich sei.
Das genügt, um das latent über der Frage schwebende Schisma der deutschen Kirche abzuwenden, und die Kirche auf „neue pastorale Wege“ zu lenken.
Die deutsche Schisma-Drohung hatte bereits die Endphase des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. überschattet. Es wird einmal Aufgabe von Historikern sein, den Zusammenhang zwischen diesem Druck und dem unerwarteten Amtsverzicht des deutschen Papstes in seiner Bedeutung zu beleuchten. 2017 feiert der protestantische Teil des deutschen Raumes 500 Jahre Reformation. Um Haaresbreite hätte das Reformationsgedenken, „passenderweise“, mit einer zweiten Kirchenspaltung zusammenfallen können. Vielleicht wäre es für die Kirche das Beste gewesen. Wer aber möchte diese Verantwortung auf sich laden? Benedikt XVI. wollte es jedenfalls nicht.
Die deutsche Drohung mit dem Schisma
Die von Kardinal Schönborn geleitete Pressekonferenz im Vatikan
Die von Kardinal Schönborn geleitete Pressekonferenz im Vatikan
Der Druck im Dampfkessel wird mit dem heutigen Tag abgelassen. Sind damit aber die Probleme gelöst? Wie es aussieht, weder praktisch und schon gar nicht theologisch. Seit einem halben Jahrhundert steht die Weltkirche unter einem unheilvollen protestantisierenden deutschen Einfluß. Es entspricht daher einer inneren Logik, daß es auch Deutsche sind, die sich diesem Einfluß entgegenstellen. Die Wahl von Papst Benedikt XVI. sollte, dieser Logik folgend, die Gegenbewegung vollenden. Eine Aufgabe, die er trotz Kraftanstrengung in letzter Konsequenz nicht bewältigte. Der „praktische“ Erfolg durch die Schisma-Drohung zementiert den von der „Rheinischen Allianz“ 1963 begonnenen Einfluß auf die Gesamtausrichtung der Weltkirche. Ist Rom erpreßbar geworden? So drastisch läßt sich das nicht formulieren. Die Dinge sind um einiges komplexer und verwobener. Die Gefahr einer Konditionierung besteht jedenfalls.
Theologisch wurden in den vergangenen zwei Jahren, seit Papst Franziskus die Weichen neu stellte und dem „deutschen Zug“ freie Fahrt gab, von den Verteidigern der kirchliche Ehe- und Morallehre beachtliche Anstrengungen unternommen, um das überlieferte Verständnis des Ehesakraments und der damit verbundenen Unauflöslichkeit der Ehe zu vertiefen. Das wird noch reiche Frucht tragen.
So sehr Papst Franziskus seit seiner Wahl der neuen progressiven „Allianz“ an Rhein und Donau Raum gab und ihr Tür und Tor öffnete, kann kein Gleichschritt mit dem deutschen Episkopat behauptet werden. Die päpstlichen Sympathien für Kardinal Walter Kasper sind bekannt und echt. Sie verschafften dem ehemaligen Bischof von Rottenburg-Stuttgart ein ebenso spätes wie unerwartetes „Comeback“. Immerhin dürfte die Wahl von Kardinal Jorge Mario Bergoglio das „Meisterstück“ des deutschen Kardinals gewesen sein. Weniger Sympathien hegt Franziskus für den mächtigen Mann der deutschen Kirche, für den Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx. Das liegt schon am unterschiedlichen Charakter. Das erklärt die Annäherung zwischen dem Papst und Wiens Erzbischof Kardinal Schönborn.
Das Schönborn-Interview: „Liebe wichtiger als Normen“
Der aus uradeligem Geschlecht stammende Dominikaner Schönborn ist ebenso ein Vertreter des deutschen Sprachraums, aber in seiner gekonnten, diplomatischen Art dem Papst deutlich näher. Um die Feinheiten der „Botschaft“ zu verstehen, ist ein Interview zu beachten, das Schönborn bereits vor der römischen Pressekonferenz seiner eigenen Presseagentur Kathpress gab. Interview und Pressekonferenz sind als Einheit zu lesen.
Im Interview fiel die programmatische Aussage:
„Das erste sind nicht die Normen, die zwar wichtig sind, an erster Stelle steht aber die Ausrichtung auf die Liebe.“
Das sei die „besondere Logik“, die hinter dem gesamten päpstlichen Schreiben stehe.
Was Wien „längst praktiziert“, wurde vom Papst „voll übernommen“
Schönborn lieferte im Interview auch gleich seine Deutung des Schreibens mit. Er sieht in Amoris Laetitia die nachträgliche Bestätigung einer „in Wien seit gut 15 Jahren gelebten pastoralen Praxis“. Was Wien längst praktiziere, sei vom Papst „voll übernommen“ worden. Das zum Thema Gehorsam und deutsche Alleingänge.
Dem Schreiben, so Schönborn, sollte eigentlich der Satz „Liebe und tu was du willst“ vorangestellt werden. Wiens Erzbischof bemühte sich erst gar nicht, diesen heutzutage leicht mißverständlichen Satz des heiligen Augustinus zu erklären. Ein gewisses Mißverstehen scheint intendiert. Schönborn wiederholte mit anderen Worten die knappe These „Love is Love“, die er bereits nach der Bischofssynode von 2014 ausgesprochen hatte.
Schönborns Demontage: Gibt es eine objektiv irreguläre Situation?
Vor allem warnte der Kardinal vor vorschnellen Urteilen über sogenannte „reguläre“ oder „irreguläre“ Lebenssituationen. Im päpstlichen Dokument sei das Wort „irregulär“ fast durchwegs unter Anführungszeichen geschrieben, was „besonders wichtig“ sei. Schönborn wörtlich:
„Ob sich jemand in einer regulären oder irregulären Situation befindet, ist zuerst einmal nur ein äußerer Blick auf die Situation.“
Es handelt sich demnach, für den Wiener Erzbischof, nicht um einen objektiven Zustand: „Der innere Blick auf die Lebenssituation von Ehen und Familien besteht darin, dass wir alle mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und alle der Barmherzigkeit Gottes bedürfen.“
Schönborn: „Befreiende und wohltuende Botschaft“
„Kein Ehepaar und keine Familie“ dürften daher sagen: „Wir sind die ordentlichen und Ihr seid die unordentlichen.“ Das sei für ihn eine „befreiende und wohltuende“ Botschaft, „weil es in Wirklichkeit auch so ist“, so Schönborn. „Befreiend“ für wen und wovon?
190 Seiten umfaßt das nachsynodale Schreiben. Man solle es „nicht hastig“ lesen, empfahl heute der Papst. Dennoch wird der Anteil unter den 1,3 Milliarden Katholiken, die es vollständig lesen, überschaubar bleiben.
Mit heute ist das Rennen eröffnet, sich auf die Suche nach Aussagen im Dokument zu machen, die der eigenen Positionen entgegenkommen oder vereinnahmt werden können. Seit Jahrzehnten ist, gewissermaßen auch analog zu den Fraktionen der protestantischen Synoden-Parlamente, auch in der katholischen Kirche die Rede von „Konservativen“, „Progressiven“, „Traditionalisten“, „Modernisten“ oder „Moderaten“. Eine verzerrte Perspektive, denn darum geht es in der Katholischen Kirche nicht. Jedenfalls sollte es nicht darum gehen. Es geht nicht darum, daß eine Fraktion über eine andere siegt, sondern um die von Gott geoffenbarte Wahrheit. Und der sind alle Fraktionen verpflichtete, wenn sie wirklich in Anspruch nehmen, katholisch zu sein. Auch hier gilt, daß es zumindest so sein sollte.
Methodik der unpräzisen Formulierung
Ist das Ergebnis der Synode damit so ausgefallen, wie man es sich erwartet hatte? Letztlich schon. Es ist, wie mehrere hohe Kirchenvertreter, auch Kurienerzbischof Georg Gänswein, versicherte, nicht zu einem aufsehenerregenden Bruch gekommen. Und doch kann man den Bruch bei näherem Betrachten der Details durchaus herauslesen. Genau darin liegt die Bestätigung der Erwartungen. Die Veränderungen, die „Revolution“, die „revolutionäre Wende“ (Worte von Kardinal Kasper) geschieht, wenn sie geschieht, subtil im Wortwust ungenauer Formulierungen. Auch diesbezüglich also Nichts Neues unter der Sonne. Die schon auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil angewandte Methode, die Klarheit in unklaren Formulierungen aufzulösen, wird fortgesetzt. Der Jesuit Karl Rahner, und damit Ordensmitbruder des amtierenden Papstes, fand diese Sprachmethodik geradezu genial, denn sie erlaube letztlich immer das herauszulesen bzw. hineinzuinterpretieren, was man will.
Es ist die Methode jener Revolutionäre, denen die Mehrheiten oder die Armeen fehlen, um ihren Willen direkt und schnell durchzusetzen. Es ist mehr noch die Methodik der Pseudo-Revolutionäre, die zwar radikale Ideen haben, denen aber der letzte Antrieb fehlt, sich offen zur Revolution zu bekennen. Die Volkstheologie, deren Vertreter Jorge Mario Bergoglio in Argentinien war, und seine Ablehnung des bewaffneten Kampfes seiner Ordensmitbrüder für die marxistische Befreiungstheologie bietet einige Ansätze zum Verständnis dieses Pontifikats.
Schlichtweg irritierend, das sei nur am Rande erwähnt, ist das weitgehend unkritische „Ja zur Sexualerziehung“, das Papst Franziskus ausspricht. Angesichts der Erfahrungen mit der Schulsexualerziehung und staatlichen „Aufklärungskampagnen“, angesichts der Gender-Ideologie, die massiv der schulischen Sexualerziehung ihren Stempel aufdrücken will, angesichts der entsprechenden „Bildungspläne“ von Baden-Württemberg, Wien oder Bayern, um nur einige zu nennen, fragt man sich verblüfft, welche „Realität“ der Papst und seine Ghostwriter denn bei diesem Thema vor Augen haben.
Wohin die „pastorale Neuausrichtung“ führt, steht in den Sternen
Wohin die „pastorale Neuausrichtung“ allerdings die Kirche Westeuropas führen werden, steht indes völlig in den Sternen. Fest steht nur: Das deutsche Kirchensteuersystem mit seinen Schattenseiten, zu denen ein unverhältnismäßig schlechter Einfluß auf die Gesamtkirche zählt, bleibt bestehen. Das jedenfalls dürfte für manchen Prälaten eine Erleichterung sein, die – im Zweifelsfall – noch wichtiger ist, als der Kampf um die „liberalen“ Öffnungen.
Bleibt am Ende die Frage: Hat es sich gelohnt, daß Papst Franziskus 2013 Ehe und Familie zum Thema einer Bischofssynode machte, um das nachsynodale Schreiben Familiaris Consortio von 1981 zu ersetzen? Läßt man die Chronologie der vergangenen drei Jahre im Zeitraffer passieren, bleibt der Eindruck zwiespältig. Einerseits wurde ein Streit vom Zaun gebrochen und in die Weltkirche hineingetragen, indem Papst Franziskus ohne Not der unduldsamen deutschen Kirche unangemessenen Spielraum gewährte. Wieviel Scherben deshalb noch aufzulesen sein werden, läßt sich derzeit noch gar nicht absehen. Gleichzeitig ist die Doppelsynode, wenn sie als Revolution gedacht war – und mehr als einiges spricht dafür –, zum Rohrkrepierer geworden. Die Kirche spricht weniger denn je mit einheitlicher Stimme. Das Pontifikat von Franziskus fördert die Dissonanz. Die wirkliche innere Erneuerung der Kirche erfährt keine wirklichen Impulse. Sie muß weiterhin warten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL[/size]
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Die Krise der Kirche im Licht des Geheimnisses von Fatima 27. Ma
Die Krise der Kirche im Licht des Geheimnisses von Fatima
27. Mai 2016
[rot]FATIMA NEU[/rot]
http://fokusfatima.blogspot.de/...[heart][heart][heart]
http://www.mariens-hilfe.org/[heart][heart][heart]
Die drei Hirtenkinder von Fatima
Mit dem vergangenen Pfingstfest wurde die 100. Wiederkehr der Marienerscheinungen von Fatima (2016-2017) mit einer Nachricht eröffnet, die für Aufsehen sorgte. Der deutsche Theologe und Priester Ingo Dollinger bestätigte gegenüber OnePeterFive, daß ihm Kardinal Ratzinger nach der Veröffentlichung des Dritten Geheimnisses von Fatima anvertraut habe: „Das ist noch nicht alles!“
Das Presseamt des Vatikans schritt mit einer sofortigen Gegendarstellung ein, in der gesagt wird, daß „der emeritierte Papst Benedikt XVI. bekannt gibt, ‚nie mit Prof. Dollinger über Fatima gesprochen zu haben‘ und mit aller Klarheit erklärt, daß die Prof. Dollinger zugeschriebenen Aussagen zu diesem Thema ‚reine Erfindungen sind, die absolut nicht wahr sind‘, und entschieden bestätigt: ‚Die Veröffentlichung des Dritten Geheimnisses von Fatima ist vollständig‘“.
Die Gegendarstellung kann jene nicht überzeugen, die – wie Antonio Socci – immer das Vorhandensein eines nicht veröffentlichten Teils des Geheimnisses vertreten haben, das von einem Glaubensabfall durch die Kirchenspitze sprechen soll. Andere Experten wie Antonio Augusto Borelli Machado halten das vom Heiligen Stuhl verbreitete Geheimnis für vollständig und auf tragische Weise vielsagend. Auf der Grundlage der uns zur Verfügung stehenden Informationen läßt sich heute weder mit absoluter Sicherheit sagen, daß der Text des Dritten Geheimnisses vollständig, noch daß er nicht vollständig ist. Was hingegen absolut sicher scheint, ist, daß die Prophezeiung von Fatima sich noch nicht zur Gänze erfüllt hat, und daß ihre Erfüllung eine nie dagewesene Krise in der Kirche betrifft.
In diesem Zusammenhang ist an einen wichtigen hermeneutischen Grundsatz zu erinnern. Der Herr bietet uns manchmal durch Enthüllungen und Prophezeiungen, die nichts dem depositum fidei hinzufügen, eine „geistliche Orientierung“, um uns in den dunkelsten Epochen der Geschichte den Weg zu weisen. So wie es stimmt, daß die göttlichen Worte Licht in die finsteren Epochen bringen, so stimmt auch das Gegenteil: die historischen Ereignisse in ihrem dramatischen Ablauf helfen uns, den Sinn und die Bedeutung der Prophezeiungen zu verstehen.
Wenn am 13. Juli 1917 die Gottesmutter in Fatima ankündigte, daß Rußland seine Irrtümer über die ganze Welt ausbreiten werde, wenn sich die Menschheit nicht bekehrt, dann mußten diese Worte unverständlich erscheinen. Erst die historischen Ereignisse der wenige Monate später folgenden Oktoberrevolution enthüllten ihre Bedeutung. Nach der bolschewistischen Revolution Anfang November 1917 wurde klar, daß die Expansion des Kommunismus das Instrument war, dessen sich Gott bedienen wollte, um die Welt für ihre Sünden zu strafen.
Zwischen 1989 und 1991 brach das sowjetische Reich des Bösen vor aller Augen zusammen, doch das Verschwinden der politischen Hülle erlaubte unter anderem Gewand eine noch größere Verbreitung des Kommunismus in der Welt, dessen ideologischer Kern der philosophische Evolutionismus und der moralische Relativismus ist. Die „Philosophie der Praxis“, die laut Antonio Gramsci die marxistische Kulturrevolution zusammenfaßt, wurde zum theologischen Horizont des neuen Pontifikats, der von Theologen wie dem deutschen Kardinal Walter Kasper und dem argentinischen Erzbischof Victor Manuel Fernandez abgesteckt wird, die auch die Stichwortgeber des nachsynodalen Apostolischen Schreibens Amoris laetitia sind.
Aus diesem Grund sollten wir nicht vom Geheimnis von Fatima ausgehen, um die Tragödie der Kirche zu verstehen, sondern von der Kirchenkrise, um die Bedeutung des letzten Geheimnisses von Fatima zu verstehen. Es geht um eine Krise, deren sichtbare Spuren bereits auf die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zurückgehen, die aber durch die Abdankung von Benedikt XVI. und das Pontifikat von Papst Franziskus eine beeindruckende Beschleunigung erfahren hat.
Erzbischof Georg am 20. Mai an der Gänswein Gregoriana
Erzbischof Georg Gänswein am 20. Mai an der Gregoriana
Während das Presseamt sich beeilte, den Fall Dollinger zu entschärfen, explodierte eine andere Bombe mit um so größerem Getöse. Bei der Vorstellung des neuen Buches des Priester Prof. Roberto Regoli „Oltre la crisi della Chiesa. Il pontificato di Benedetto XVI” (Jenseits der Kirchenkrise. Das Pontifikat von Benedikt XVI.), die am 20. Mai in der Aula Magna der Päpstlichen Universität Gregoriana stattfand, emphatisierte Msgr. Georg Gänswein den Verzicht von Papst Ratzinger auf das Pontifikat mit den Worten:
„Seit dem 11. Februar 2013 ist das Papsttum nicht mehr dasselbe, das es vorher war. Es ist und bleibt das Fundament der katholischen Kirche; es ist aber ein Fundament, das Benedikt XVI. in seinem Ausnahmepontifikat grundlegend und dauerhaft verändert hat.“
Laut Erzbischof Gänswein ist der Rücktritt des Theologenpapstes „epochal“, weil er in die katholische Kirche die neue Institution des emeritierten Papstes einführte, indem er das Verständnis vom munus petrinum, dem Petrusdienst veränderte.
„Vor und nach seinem Rücktritt hat Benedikt seine Aufgabe als Teilhabe an einem bestimmten ‚Petrusdienst‘ verstanden und versteht es so bis heute. Er hat den Stuhl Petri geräumt, aber dennoch diesen Dienst mit seinem Schritt vom 11. Februar 2013 keineswegs aufgegeben. Er hat stattdessen das persönliche Amt mit einer kollegialen und synodalen Dimension ergänzt, quasi ein gemeinsamer Dienst. […] Seit der Wahl seines Nachfolgers Franziskus am 13. März 2013 gibt es daher nicht zwei Päpste, aber de facto ein erweitertes Amt – mit einem aktiven und einem kontemplativen Glied. Deshalb hat Benedikt XVI. weder auf seinen Namen verzichtet noch auf seinen weißen Talar. Deshalb ist die korrekte Anrede, mit der man sich an ihn wendet, noch heute Euer Heiligkeit; und deshalb hat er sich zudem nicht in ein abgelegenes Kloster zurückgezogen, sondern innerhalb des Vatikans – so als hätte er nur einen Schritt zur Seite gemacht, um seinem Nachfolger und einer neuen Etappe in der Geschichte des Papsttums Platz zu machen. […] Mit einer außerordentlich wagemutigen Handlung hat er stattdessen das Amt (auch gegen die Meinung der wohlmeinenden und ohne Zweifel kompetenten Berater) mit einer letzten Anstrengung gestärkt (wie ich hoffe). Das kann natürlich einzig und allein die Geschichte beweisen. Bleibend wird in der Kirchengeschichte aber sein, daß im Jahr 2013 der berühmte Theologe auf dem Stuhl des Petrus der erste ‚Papa emeritus‘ der Geschichte wurde.“
Diese Rede hat einen explosiven Charakter und belegt bereits für sich allein schon, daß wir uns nicht jenseits, sondern mehr denn je in der Kirchenkrise befinden. Das Papsttum ist nicht ein Dienst, der „erweitert“ werden könnte, weil es persönlich von Jesus Christus einem einzigen Stellvertreter und einem einzigen Nachfolger des Petrus übertragen ist. Was die katholische Kirche von jeder anderen Kirche oder Religion unterscheidet, ist gerade die Existenz eines einenden und untrennbar in der Person des Papstes verkörperten Prinzips. Die Rede von Msgr. Gänswein legt eine doppelköpfige Kirche nahe und fügt damit lediglich neue Verwirrung zu einer ohnehin bereits mehr als wirren Situation hinzu.
Ein Satz verbindet den zweiten und den dritten Teil des Geheimnisses von Fatima: „In Portugal wird sich das Glaubensdogma immer bewahren.“ Die Gottesmutter wendet sich an die drei portugiesischen Hirtenkinder und versichert ihnen, daß ihr Land den Glauben nicht verlieren wird. Wo aber wird der Glauben verlorengehen? Man dachte immer, die Gottesmutter beziehe sich auf den Glaubensabfall ganzer Nationen. Heute scheint es immer deutlicher zu werden, daß sich der größte Glaubensverlust unter den Männer der Kirche vollzieht.
Ein „weiß gekleideter Bischof“ und „verschiedene andere Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen“ stehen im Mittelpunkt des Dritten Geheimnisses vor dem Hintergrund von Ruinen und Tod. Es ist legitim, sich das nicht nur materiell, sondern spirituell vorzustellen. Das wird durch die Offenbarung bestätigt, die Schwester Lucia am 3. Januar 1944 in Tuy hatte, bevor sie das Dritte Geheimnis niederschrieb und die damit untrennbar mit diesem verbunden ist. Nachdem sie eine schreckliche, kosmische Katastrophe geschaut hatte, erzählt Schwester Lucia, im Herzen „eine leichte Stimme“ gehört zu haben, die sagte:
„in der Zeit den einen Glauben, die eine Taufe, die eine heilige, katholische und apostolische Kirche. In der Ewigkeit den Himmel!“
Diese Worte stellen die radikale Zurückweisung jeder Form von religiösem Relativismus dar, dem die himmlische Stimme die Verherrlichung der Heiligen Kirche und des katholischen Glaubens entgegensetzt. Der Rauch Satans kann in der Geschichte in die Kirche eindringen, wer aber die Integrität des Glaubens gegen die Mächte der Hölle verteidigt, wird in der Zeit und in der Ewigkeit, den Triumph der Kirche und des Unbefleckten Herzens von Maria sehen, dem endgültigen Siegel der tragischen, aber auch mitreißend begeisternden Prophezeiung von Fatima.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen: Vicario di Cristo. Il primato di Pietro tra normalità ed eccezione (Stellvertreter Christi. Der Primat des Petrus zwischen Normalität und Ausnahme), Verona 2013; in deutscher Übersetzung zuletzt: Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte, Ruppichteroth 2011. Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
http://www.katholisches.info/2016/05/27/die-krise-der-kirche-im-licht-des-geheimnisses-von-fatima/
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/Formiche (Screenshot)
27. Mai 2016
[rot]FATIMA NEU[/rot]
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Die drei Hirtenkinder von Fatima
Mit dem vergangenen Pfingstfest wurde die 100. Wiederkehr der Marienerscheinungen von Fatima (2016-2017) mit einer Nachricht eröffnet, die für Aufsehen sorgte. Der deutsche Theologe und Priester Ingo Dollinger bestätigte gegenüber OnePeterFive, daß ihm Kardinal Ratzinger nach der Veröffentlichung des Dritten Geheimnisses von Fatima anvertraut habe: „Das ist noch nicht alles!“
Das Presseamt des Vatikans schritt mit einer sofortigen Gegendarstellung ein, in der gesagt wird, daß „der emeritierte Papst Benedikt XVI. bekannt gibt, ‚nie mit Prof. Dollinger über Fatima gesprochen zu haben‘ und mit aller Klarheit erklärt, daß die Prof. Dollinger zugeschriebenen Aussagen zu diesem Thema ‚reine Erfindungen sind, die absolut nicht wahr sind‘, und entschieden bestätigt: ‚Die Veröffentlichung des Dritten Geheimnisses von Fatima ist vollständig‘“.
Die Gegendarstellung kann jene nicht überzeugen, die – wie Antonio Socci – immer das Vorhandensein eines nicht veröffentlichten Teils des Geheimnisses vertreten haben, das von einem Glaubensabfall durch die Kirchenspitze sprechen soll. Andere Experten wie Antonio Augusto Borelli Machado halten das vom Heiligen Stuhl verbreitete Geheimnis für vollständig und auf tragische Weise vielsagend. Auf der Grundlage der uns zur Verfügung stehenden Informationen läßt sich heute weder mit absoluter Sicherheit sagen, daß der Text des Dritten Geheimnisses vollständig, noch daß er nicht vollständig ist. Was hingegen absolut sicher scheint, ist, daß die Prophezeiung von Fatima sich noch nicht zur Gänze erfüllt hat, und daß ihre Erfüllung eine nie dagewesene Krise in der Kirche betrifft.
In diesem Zusammenhang ist an einen wichtigen hermeneutischen Grundsatz zu erinnern. Der Herr bietet uns manchmal durch Enthüllungen und Prophezeiungen, die nichts dem depositum fidei hinzufügen, eine „geistliche Orientierung“, um uns in den dunkelsten Epochen der Geschichte den Weg zu weisen. So wie es stimmt, daß die göttlichen Worte Licht in die finsteren Epochen bringen, so stimmt auch das Gegenteil: die historischen Ereignisse in ihrem dramatischen Ablauf helfen uns, den Sinn und die Bedeutung der Prophezeiungen zu verstehen.
Wenn am 13. Juli 1917 die Gottesmutter in Fatima ankündigte, daß Rußland seine Irrtümer über die ganze Welt ausbreiten werde, wenn sich die Menschheit nicht bekehrt, dann mußten diese Worte unverständlich erscheinen. Erst die historischen Ereignisse der wenige Monate später folgenden Oktoberrevolution enthüllten ihre Bedeutung. Nach der bolschewistischen Revolution Anfang November 1917 wurde klar, daß die Expansion des Kommunismus das Instrument war, dessen sich Gott bedienen wollte, um die Welt für ihre Sünden zu strafen.
Zwischen 1989 und 1991 brach das sowjetische Reich des Bösen vor aller Augen zusammen, doch das Verschwinden der politischen Hülle erlaubte unter anderem Gewand eine noch größere Verbreitung des Kommunismus in der Welt, dessen ideologischer Kern der philosophische Evolutionismus und der moralische Relativismus ist. Die „Philosophie der Praxis“, die laut Antonio Gramsci die marxistische Kulturrevolution zusammenfaßt, wurde zum theologischen Horizont des neuen Pontifikats, der von Theologen wie dem deutschen Kardinal Walter Kasper und dem argentinischen Erzbischof Victor Manuel Fernandez abgesteckt wird, die auch die Stichwortgeber des nachsynodalen Apostolischen Schreibens Amoris laetitia sind.
Aus diesem Grund sollten wir nicht vom Geheimnis von Fatima ausgehen, um die Tragödie der Kirche zu verstehen, sondern von der Kirchenkrise, um die Bedeutung des letzten Geheimnisses von Fatima zu verstehen. Es geht um eine Krise, deren sichtbare Spuren bereits auf die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zurückgehen, die aber durch die Abdankung von Benedikt XVI. und das Pontifikat von Papst Franziskus eine beeindruckende Beschleunigung erfahren hat.
Erzbischof Georg am 20. Mai an der Gänswein Gregoriana
Erzbischof Georg Gänswein am 20. Mai an der Gregoriana
Während das Presseamt sich beeilte, den Fall Dollinger zu entschärfen, explodierte eine andere Bombe mit um so größerem Getöse. Bei der Vorstellung des neuen Buches des Priester Prof. Roberto Regoli „Oltre la crisi della Chiesa. Il pontificato di Benedetto XVI” (Jenseits der Kirchenkrise. Das Pontifikat von Benedikt XVI.), die am 20. Mai in der Aula Magna der Päpstlichen Universität Gregoriana stattfand, emphatisierte Msgr. Georg Gänswein den Verzicht von Papst Ratzinger auf das Pontifikat mit den Worten:
„Seit dem 11. Februar 2013 ist das Papsttum nicht mehr dasselbe, das es vorher war. Es ist und bleibt das Fundament der katholischen Kirche; es ist aber ein Fundament, das Benedikt XVI. in seinem Ausnahmepontifikat grundlegend und dauerhaft verändert hat.“
Laut Erzbischof Gänswein ist der Rücktritt des Theologenpapstes „epochal“, weil er in die katholische Kirche die neue Institution des emeritierten Papstes einführte, indem er das Verständnis vom munus petrinum, dem Petrusdienst veränderte.
„Vor und nach seinem Rücktritt hat Benedikt seine Aufgabe als Teilhabe an einem bestimmten ‚Petrusdienst‘ verstanden und versteht es so bis heute. Er hat den Stuhl Petri geräumt, aber dennoch diesen Dienst mit seinem Schritt vom 11. Februar 2013 keineswegs aufgegeben. Er hat stattdessen das persönliche Amt mit einer kollegialen und synodalen Dimension ergänzt, quasi ein gemeinsamer Dienst. […] Seit der Wahl seines Nachfolgers Franziskus am 13. März 2013 gibt es daher nicht zwei Päpste, aber de facto ein erweitertes Amt – mit einem aktiven und einem kontemplativen Glied. Deshalb hat Benedikt XVI. weder auf seinen Namen verzichtet noch auf seinen weißen Talar. Deshalb ist die korrekte Anrede, mit der man sich an ihn wendet, noch heute Euer Heiligkeit; und deshalb hat er sich zudem nicht in ein abgelegenes Kloster zurückgezogen, sondern innerhalb des Vatikans – so als hätte er nur einen Schritt zur Seite gemacht, um seinem Nachfolger und einer neuen Etappe in der Geschichte des Papsttums Platz zu machen. […] Mit einer außerordentlich wagemutigen Handlung hat er stattdessen das Amt (auch gegen die Meinung der wohlmeinenden und ohne Zweifel kompetenten Berater) mit einer letzten Anstrengung gestärkt (wie ich hoffe). Das kann natürlich einzig und allein die Geschichte beweisen. Bleibend wird in der Kirchengeschichte aber sein, daß im Jahr 2013 der berühmte Theologe auf dem Stuhl des Petrus der erste ‚Papa emeritus‘ der Geschichte wurde.“
Diese Rede hat einen explosiven Charakter und belegt bereits für sich allein schon, daß wir uns nicht jenseits, sondern mehr denn je in der Kirchenkrise befinden. Das Papsttum ist nicht ein Dienst, der „erweitert“ werden könnte, weil es persönlich von Jesus Christus einem einzigen Stellvertreter und einem einzigen Nachfolger des Petrus übertragen ist. Was die katholische Kirche von jeder anderen Kirche oder Religion unterscheidet, ist gerade die Existenz eines einenden und untrennbar in der Person des Papstes verkörperten Prinzips. Die Rede von Msgr. Gänswein legt eine doppelköpfige Kirche nahe und fügt damit lediglich neue Verwirrung zu einer ohnehin bereits mehr als wirren Situation hinzu.
Ein Satz verbindet den zweiten und den dritten Teil des Geheimnisses von Fatima: „In Portugal wird sich das Glaubensdogma immer bewahren.“ Die Gottesmutter wendet sich an die drei portugiesischen Hirtenkinder und versichert ihnen, daß ihr Land den Glauben nicht verlieren wird. Wo aber wird der Glauben verlorengehen? Man dachte immer, die Gottesmutter beziehe sich auf den Glaubensabfall ganzer Nationen. Heute scheint es immer deutlicher zu werden, daß sich der größte Glaubensverlust unter den Männer der Kirche vollzieht.
Ein „weiß gekleideter Bischof“ und „verschiedene andere Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen“ stehen im Mittelpunkt des Dritten Geheimnisses vor dem Hintergrund von Ruinen und Tod. Es ist legitim, sich das nicht nur materiell, sondern spirituell vorzustellen. Das wird durch die Offenbarung bestätigt, die Schwester Lucia am 3. Januar 1944 in Tuy hatte, bevor sie das Dritte Geheimnis niederschrieb und die damit untrennbar mit diesem verbunden ist. Nachdem sie eine schreckliche, kosmische Katastrophe geschaut hatte, erzählt Schwester Lucia, im Herzen „eine leichte Stimme“ gehört zu haben, die sagte:
„in der Zeit den einen Glauben, die eine Taufe, die eine heilige, katholische und apostolische Kirche. In der Ewigkeit den Himmel!“
Diese Worte stellen die radikale Zurückweisung jeder Form von religiösem Relativismus dar, dem die himmlische Stimme die Verherrlichung der Heiligen Kirche und des katholischen Glaubens entgegensetzt. Der Rauch Satans kann in der Geschichte in die Kirche eindringen, wer aber die Integrität des Glaubens gegen die Mächte der Hölle verteidigt, wird in der Zeit und in der Ewigkeit, den Triumph der Kirche und des Unbefleckten Herzens von Maria sehen, dem endgültigen Siegel der tragischen, aber auch mitreißend begeisternden Prophezeiung von Fatima.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen: Vicario di Cristo. Il primato di Pietro tra normalità ed eccezione (Stellvertreter Christi. Der Primat des Petrus zwischen Normalität und Ausnahme), Verona 2013; in deutscher Übersetzung zuletzt: Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte, Ruppichteroth 2011. Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
http://www.katholisches.info/2016/05/27/die-krise-der-kirche-im-licht-des-geheimnisses-von-fatima/
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/Formiche (Screenshot)
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